Beschichtungskonzept zur Herstellung wirkstoffdotierter biokeramischer Schichten

Einbringen temperatursensitiver Medikamente in Keramik-Beschichtungen durch modifizierten HVSFS-Prozess

In Deutschland werden insgesamt jährlich ca. 430.000 Endoprothesen anstelle der natürlichen Hüft- und Kniegelenke implantiert (Stand 2018). Trotz hoher Erfolgsraten infizieren sich bis zu zwei Prozent der Prothesen nach der Operation im Körper. Meist sind diese Infektionen nicht über eine Medikamentengabe zu behandeln, sodass eine erneute Operation erforderlich wird, um die entzündete Prothese zu entfernen und lokal Antibiotika im Bereich der Entzündung zu applizieren. Hierfür werden meist Drug-Carrier wie zum Beispiel die Biokeramik Hydroxylapatit verwendet, da diese in der Lage sind, die Antibiotika über einen langen Zeitraum kontrolliert abzugeben.  

Bereits heute werden Gelenk-Endoprothesen oft mit Hydroxylapatit beschichtet, um das Einwachsverhalten in den natürlichen Knochen über die bioaktive Keramik zu verbessern. Die Gefahr einer Entzündung bleibt jedoch trotz verbessertem Einwachsverhalten bestehen. Daher werden den Patientinnen und Patienten Stand heute vor der Operation Antibiotika systemisch verabreicht, um die Gefahr einer Prothesenentzündung zu minieren.

Am IFKB werden neuartige Konzepte erforscht, um diese Prothesenbeschichtungen mit antibakteriellen Wirkstoffen zu beladen, sodass der Gelenkentzündung prophylaktisch vorgebeugt werden kann. Um die Fertigungskette kosteneffizient zu gestalten, sollen keine weiteren Prozessschritte notwendig werden, als bisher zur Applikation der Hydroxylapatit-Beschichtung erforderlich. Serienmäßig werden die Hydroxylapatit-Beschichtungen über thermische Spritzverfahren appliziert, wobei es am IFKB Erfahrung bei der Verarbeitung von Hydroxylapatit im HVSFS-Verfahren gibt. Die Hürde für einen direkten Einbau der Medikamente in die Keramikbeschichtung stellt die hohe Temperaturbelastung während dem thermischen Spritzprozesses dar, sodass es ohne Prozessanpassungen zu einer Degradation der organischen Wirkstoff-Moleküle kommen würde.

Um die Temperaturbelastung der Medikamente zu reduzieren, wurde ein Prozessaufbau mit zwei Suspensionslinien gewählt, wobei das Matrixmaterial axial in die Brennkammer injiziert wird, um ein adäquates Aufschmelzen gewährleisten zu können (siehe Abbildung 1). Die zweite Suspension aus gelöstem Wirkstoff und Hydroxylapatit wird erst vor dem Brenner radial beigegeben, um die Interaktionszeit der Wirkstoffmoleküle mit der Brennerflamme gering zu halten und somit den Wärmeübergang zu unterbinden.

Abbildung 1: Prozessaufbau des HVSFS-Prozesses mit zwei Suspensionslinien
Abbildung 1: Prozessaufbau des HVSFS-Prozesses mit zwei Suspensionslinien

Um die Wirkstoffe noch besser vor der Exposition der Flamme zu schützen wurden am IFKB aus Hydroxylapatit-Suspensionen Hohlgranalien durch Sprühgranulation und anschließende Kalzinierung hergestellt (siehe Abbildung 2). Die Hohlgranalien sind dazu gedacht, den Wirkstoff im Hohlraum im Innern der Partikel vor einer direkten Wechselwirkung mit der Brennerflamme zu schützen. Gleichzeitig wird eine langsamere Aufheizung der großen Hohlpartikel erwartet.

Abbildung 2: Durch Sprühgranulation hergestellte Hydroxylapatit-Hohlgranalien - links: Pulvermorphologie im Rasterelektronenmikroskop (REM) - rechts: Querschliff durch das Pulver mit sichtbaren Hohlräumen in lichtmikroskopischer Ansicht
Abbildung 2: Durch Sprühgranulation hergestellte Hydroxylapatit-Hohlgranalien - links: Pulvermorphologie im Rasterelektronenmikroskop (REM) - rechts: Querschliff durch das Pulver mit sichtbaren Hohlräumen in lichtmikroskopischer Ansicht

Da medikamentöse Wirkstoffe nur über komplexe Analytik quantifizierbar sind, wurde für die Versuche der Fluoreszenz-Farbstoff Fluorescein-Natrium mit ähnlicher Zersetzungstemperatur verwendet, sodass der Wirkstoffgehalt leicht am Fluoreszenzmikroskop quantifizierbar ist.

Über den HVSFS-Prozess mit zwei Suspensionslinien können wirkstoffbeladene (hier also farbstoffbeladene) Beschichtungen hergestellt werden. Ebenso konnte gezeigt werden, dass die Hohlgranalien einen verbesserten thermischen Schutz des Wirkstoffs erlauben, was sich in einer erhöhten Wirkstoffkonzentration innerhalb der Schicht zeigt. Dies ist deutlich erkennbar in den beiden Bildern der Fluoreszenzmikroskopie (siehe Abbildung 3): die linke Probe, bei der radial eine Suspension aus kommerziell erhältlichem Hydroxylapatit-Pulver und Fluorescein injiziert wurde, fluoresziert deutlich weniger als die rechte, bei der statt des kommerziellen Pulvers die Hohlgranalien als Suspension in Kombination mit dem Fluorescein radial appliziert wurden.

Abbildung 3: Fluoreszenzmikroskopische Aufnahmen der Oberflächen von HVSFS-gespritzten Hydroxylapatit-Schichten - links: schwache Fluoreszenz bei radialer Injektion einer Suspension auf Basis von kommerziellem, monolithischen Hydroxylapatit-Pulver als Träger des Fluoresceins - rechts: starke Fluoreszenz bei radialer Injektion einer Suspension auf Basis der am IFKB hergestellten Hohlgranalien durch besseren thermischen Schutz des organischen Fluoresceins
Abbildung 3: Fluoreszenzmikroskopische Aufnahmen der Oberflächen von HVSFS-gespritzten Hydroxylapatit-Schichten - links: schwache Fluoreszenz bei radialer Injektion einer Suspension auf Basis von kommerziellem, monolithischen Hydroxylapatit-Pulver als Träger des Fluoresceins - rechts: starke Fluoreszenz bei radialer Injektion einer Suspension auf Basis der am IFKB hergestellten Hohlgranalien durch besseren thermischen Schutz des organischen Fluoresceins

Der am IFKB entwickelte Prozess legt den Grundstein für weiterführende Entwicklungen, medikamentendotierte Gelenkimplantat-Beschichtungen in einem Prozessschritt durch das thermische Spritzen kostengünstig zu applizieren. Dies eröffnet neue Perspektiven in der Gelenkersatz-Therapie und könnte den Patientinnen und Patienten in Zukunft schmerzhafte und langwierige Folgeoperationen ersparen.

Dieses Bild zeigt Lukas Derad

Lukas Derad

M.Sc.

externer Doktorand

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Andreas Killinger

apl. Prof. Dr. rer. nat.

Abteilungsleiter Oberflächentechnik und Schichtverbunde

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